Bald wird es keine Überlebenden des Holocaust mehr geben – und wer erzählt dann? Können, dürfen wir, die wir die traumatischen Situationen, aus denen heraus die Überlebenden berichtet haben, nicht erfahren haben, eine Art stellvertretende Zeugenschaft übernehmen? Eine Verantwortung für die Vergangenheit?
Authentische Erinnerungen sind nicht zu ersetzen. Was wir aber tun können, ist, die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass die persönlichen, körperlichen Erfahrungen des Todes in den Nazilagern nicht vergessen werden. Zumal wir in einer Zeit leben, in der Menschen bedroht, angegriffen, sogar getötet werden, weil sie sich für eine tolerante, menschliche und demokratische Gesellschaft einsetzen. Hass ist schürbar und wiederholbar. Um die Gegenwart zu verstehen, muss man die Vergangenheit begreifen. Man kann sich gegen Populismus besser wehren, wenn man weiß, wozu das schon einmal geführt hat.
Jorge Semprun, ehemaliger spanischer Kulturminister und Überlebender des Konzentrationslagers Buchenwald, hat immer wieder darauf hingewiesen, dass es zwar weiterhin gelehrte Arbeiten zum Holocaust geben werde, deren Bedeutung er nicht schmälern wolle, „aber reicht das aus? Man kann jetzt schon behaupten, dass sich das kollektive Bewusstsein, das konkrete Wissen um die Vernichtung verändern wird, wenn die lebendige Quelle der Erinnerung versiegt ist. Es sei denn, dass Menschen den Mut finden, sich an dieses Gebiet vergangener Realität heranzuwagen, die unerschöpfliche Wahrheit der Vernichtungserfahrung mit den Mitteln der Fiktion herauszuarbeiten. Kühn und bescheiden zugleich.“
Diesen Versuch wollen wir wagen. Nicht als Belehrung, eher als Verstehen durch sinnliche Wahrnehmung. Gegen das Vergessen. Unsere Mittel sind Text und Musik.
In dem Roman „Der Schrecken verliert sich vor Ort“ wird die Geschichte des KZ-Häftlings Heiner und seiner Frau Lena erzählt. Die beiden haben sich beim Frankfurter Auschwitz-Prozess kennengelernt und ineinander verliebt. Er war der Zeuge aus Wien, sie Übersetzerin polnischer Zeitzeugenaussagen. Eine Liebe zwischen Trauma, Unwissen und Missverständnissen. Die Frage ihres Lebens (und wohl auch unseres) ist die nach den Grenzen des Verstehens der Welt der Überlebenden eines Konzentrationslagers.
Der Kontrabassist Gregor Praml und die Autorin Monika Held haben bei gemeinsamen Auftritten erfahren, dass Text und Musik in der Lage sind, die Geschichte gemeinsam zu erzählen. Es ist die Geschichte des Wunsches, Erlebtes und Erlittenes weiterzugeben und der Kampf gegen die Grenzen der Vorstellungskraft. Gregor Praml kreiert mit seinem Instrument den gesamten Klangkosmos des Themas ‚Erinnern, um nicht zu vergessen‘. Dabei setzt er am Kontrabass Effektgeräte und eine LoopStation ein. Eine ungewöhnliche Art, dieses Instrument in Szene zu setzen. Er beschreibt diese Arbeit so:
Der Kontrabass verlässt die klassische Rolle des Textbegleiters. Er wird zum Solisten, der mit seiner eigenen Stimme die Stimmungen und Emotionen dieser Geschichte erzählt. Der Bass grooved, er singt und klagt. So entstehen spannende Klanglandschaften, die schier endlos zu sein scheinen und nach einem ganzen Orchester klingen.
Durch diese KonzertLesung „In Auschwitz gab es keine Vögel“ ziehen sich die sehr persönlichen O-Töne eines Zeitzeugen, aus dessen Überlebensgeschichte der Roman entstanden ist. Auch hierfür gilt der Satz von Jorge Semprun: „Ich bin überzeugt, dass ein Eingreifen der Fiktion in unser Gedächtnis notwendig ist.“
Zielgruppe dieser KonzertLesung: Schülerinnen und Schüler ab 15 Jahren
Dauer der Veranstaltung: ca. 90 Minuten. (ca. 60 Min. Konzertlesung/ ca. 30 Minuten moderierte Fragerunde mit den Schülern)
Teilnehmerzahl der Veranstaltungen: max. 120 Zuhörer. Je nach Größe des Veranstaltungsortes.
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